Donnerstag, 14 Juni, 2012 - 20:00
Lyrik im ausland Spezial: 100 Jahre Futurismus.
Lyrik im ausland-Spezial mit Sergej Birjukov und Valeri Scherstjanoi: Ein Abend zum russischen Futurismus im hundertsten Jahr nach Erscheinen des Manifests „Eine Ohrfeige dem öffentlichen Geschmack (Пощечина общественному вкусу)".
Geöffnet ab 20:00 Uhr, Beginn um 21:00 Uhr.
Birjukov und Scherstjanoi lesen im ersten Teil des Abends ihre Lieblingsgedichte der Futuristen, einer avantgardistischen Bewegung in Russland, die auch nach 100 Jahren aktuell bleibt. Mit der Veröffentlichung des Manifestes „Eine Ohrfeige dem öffentlichen Geschmack“ im Jahr 1912 sollte ein neues Zeitalter der russischen experimentellen Dichtung markiert werden. „Wir befehlen, die Rechte der Dichter zu achten /…/ auf die Vergrößerung des Wortschatzes in seinem Volumen durch willkürliche und abgeleitete Wörter“, hieß es in dem Manifest.
Zu den neuen Errungenschaften der russischen Futuristen zählen: Schaffung der sa-umnischen (trans-rationalen) Poesiesprache, in welcher das „Erleben der Inspiration“ viel wichtiger ist, als eine erstarrte und versteinerte Sprache (Alexej Krutschonych), Neologismen, anagrammatische und palindrome Texte, Verwendung ungleichmäßiger Druckschriftarten, Verzicht auf Interpunktionen, Schaffung der handgeschriebenen Bücher (book art), Vers-Bilder. Der futuristische Reim wurde gebrochen und gesprengt. Die optischen und phonetischen Experimente der Futuristen haben zeitgenössische visuelle und phonetische Poesie vorweggenommen.
Außer Gedichten von David Burljuk, Wladimir Majakowski, Alexej Krutschonych und Welimir Chlebnikow werden auch Gedichte von Wassily Kandinsky und den Futuristen der ersten Stunde, Jelena Guro und Wassily Kamenski, zu Gehör gebracht.
Birjukov und Scherstjanoi kennen sich seit über 20 Jahren, ihre Freundschaft verbindet vor allem die Liebe zum russischen Futurismus, von welchem sie bereits seit ihrer früheren Jugend an und nach wie vor begeistert sind.
Im zweiten Teil der Veranstaltung lesen Birjukov und Scherstjanoi eigene Experimente.
Sergej Birjukov wurde 1950 im Gebiet Tambow, Russland, geboren. Dr. habil. in Kulturwissenschaften, Forschungen zur russischen Avantagarde. Seit Dezember 1998 lebt er in Deutschland und unterrichtet Russische Literatur an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Auftritte auf internationalen Poesiefestivals in Deutschland, Russland und anderen Ländern. Gedichtveröffentlichungen in deutscher Sprache in den Zeitschriften "Akzente", "lauter niemand", "Perspektive", "Studio", "Dominante", in den Anthologien "Diapason" (Moskau, 2005),"Poesie in Europa" (Wien/Linz, 2009). Autor von ca. 20 Poesie- und Wissenschaftsbüchern, darunter "JaJa, DaDa oder Die Abschaffung des Artikels" (Leipzig, 2004, 2. Ausgabe 2012).
Valeri Scherstjanoi wurde 1950 in Kasachstan geboren und studierte von 1971 bis 1976 Germanistik an der Universität in Krasnodar. 1979 übersiedelte er in die DDR und lebt seit 1981 in Berlin, wo er als Lautdichter und Schriftkünstler tätig ist. Auftritte bei internationalen Festivals der Lautpoesie im In- und Ausland. Veröffentlichungen (Auswahl): Tango mit Kühen. Anthologie der russischen Lautpoesie zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Herausgeber), Wien 1998; lauter scherben, Norderstedt 2008; Mein Futurismus, Berlin 2011; Alexej Krutschonych Phonetik des Theaters (Herausgeber), Leipzig 2011. Zahlreiche Künstlerbücher im Hybriden Verlag, Berlin.
As part of the series Lyrik im ausland